Die Demenz ist nach den Herz-/Kreislauferkrankungen die häufigste Erkrankung des Alters und damit eine der häufigsten Ursachen für Pflegebedürftigkeit. Nach dem 90. Lebensjahr sind bereits 1/3 aller Menschen von einer Form der Demenz betroffen.
Angesichts dieser hohen Auftretensrate stellt sich für jeden Einzelnen die Frage, „wie möchte ich, sollte ich eine Demenz erleben, unterstützt werden. Was brauche ich,
wenn mein Kurzzeitgedächtnis aussetzt, wenn ich mich gar nicht mehr orientieren kann? Mit welcher Haltung sollen mir meine Helfer begegnen?
In der WG Vergissmeinnicht werden Menschen mit Demenz nach dem personenzentrierten Ansatz betreut. Dies setzt einen individuellen, bedürfnis- und ressourcenzentrierten Umgang mit den Bewohnerinnen
sowie eine von Wertschätzung und Respekt getragene Grundhaltung aller Betreuenden voraus. Nur so gelingt es, den weiteren Verlauf der Demenz positiv zu beeinflussen, zerebrale Veränderungsprozesse
aufzuhalten und die Kompetenzen der Bewohnerinnen so lange wie möglich zu bewahren.
Menschen mit Demenz brauchen respektvolle, fürsorgliche Beziehungen, die ihnen ihre Identität, ihr Personsein spiegeln und Sicherheit geben. Sie benötigen Anreize und
Unterstützung in ihrer Selbstentfaltung und Selbstbestimmung. Und sie brauchen einen geschützten Lebensraum, der Ihnen Sicherheit, Orientierung, klare Strukturen und viele vertraute Dinge
bietet.
Um eine solch individuelle Betreuung von Menschen mit Demenz zu gewährleisten, wurde die WG Vergissmeinnicht ins Leben gerufen. Hier leben neun von Demenz betroffene
Frauen in einer großzügig angelegten, behindertengerechten Wohneinheit mit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung.
Wir als Bevollmächtigte unserer von Demenz betroffenen Angehörigen legen Wert, auf einen persönlichen, an ihre alten Gewohnheiten anknüpfenden, Lebensraum und eine individuelle Betreuung.
Wir möchten den Betreuungsprozess unserer Angehörigen aktiv mit gestalten, wichtige Entscheidungen, wie die Wahl eines Pflegedienstes, selbst treffen, weiterhin Sorge
und Verantwortung für unsere Angehörigen tragen. Die WG ist deshalb nicht einer institutionellen Einrichtung untergeordnet, sondern wird durch einen Zusammenschluss aller Bevollmächtigten in einer
GbR und die Hilfe eines Beistandes selbst gesteuert.
Wir verstehen uns nicht als Besucher unserer Angehörigen, sondern wollen aktiv an ihrem Leben in der Wohngemeinschaft teilnehmen. Deshalb haben wir, ebenso wie unsere
Angehörigen, das Hausrecht in der WG.
Unsere Betreuuungsgrundsätze
(1.) Ressourcenorientierung und emotionale Unterstützung
Ein respektvoller und ressourcenorientierter Umgang mit den Bewohnerinnen der WG, die Förderung der eigenen Stärken, die positive Verstärkung jedes noch so kleinen Erfolges und das Auffangen
schmerzhafter Verlusterlebnisse ist die Grundhaltung in der Betreuung. Auf diese Weise können Kompetenzverluste und daraus resultierende Depressionen und Ängste sowie Orientierungsschwierigkeiten
weitgehend kompensiert werden.
(2.) Zeit für aktivierende Pflege
Von Demenz betroffene Menschen sind motorisch oft noch lange in der Lage, viele Tätigkeiten bei ihrer Körperpflege selbst auszuführen. Allerdings brauchen sie dafür einfühlsame Anleitung und Zeit.
Durch das Zusammenlegen der Pflegeleistungen in einer gemeinschaftlichen Betreuungsform, ergeben sich günstigere Zeitfenster für eine aktive Pflege und die Förderung der entsprechenden Kompetenzen
unserer Angehörigen.
(3.) Förderung von Identität und Selbstbestimmung
Sollen Menschen mit Demenz so lange wie möglich ein Gefühl für ihre eigene Identität und Individualität behalten, brauchen sie die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken, eigene Entscheidungen zu
treffen. Deshalb werden unsere Angehörige dazu ermutigt, ihre Bedürfnisse zu äußern, so weit wie möglich zu bestimmen, an welchen Beschäftigungsangeboten sie teilnehmen, was sie essen oder anziehen,
wann sie aufstehen wollen, auch wenn es den grundsätzlichen Tagesroutinen entgegenläuft. Die Selbstbestimmung unserer Angehörigen findet ihre Grenzen allerdings dort, wo Gefährdungsmomente entstehen
könnten. Auch stehen Ermutigung und Motivierung zu aktivem Handeln dem Grundsatz der Selbstbestimmung nicht entgegen.
(4.) Eine sinnvolle Tagesstrukturierung
Damit der Alltag Inhalt und Sinn sowie Struktur erhält, brauchen Menschen mit Demenz Impulse und Anleitung bei sinnvollen Beschäftigungen, die an ihre Neigungen und Fähigkeiten anknüpfen. Zeitlich
eingebettet in die täglichen Mahlzeiten, werden individuell angeleitete Beschäftigungen im Haushalt angeboten sowie nachmittags Spiele, gemeinsames Singen, Gedächtnistrainings, Gymnastik
etc.
Wir legen großen Wert auf eine ausreichende Personalausstattung, damit eine intensive Betreuung und bedarfsgerechte Einsätze gewährleistet sind. Deshalb werden die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Pflegedienstes in Zeiten mit knapper Personalbesetzung durch ehrenamtliche bzw. zusätzlich von der GbR eingestellte Betreuungsmitarbeiterinnen unterstützt.
Desweiteren streben wir eine enge Kooperation zwischen den Mitarbeiterinnen und uns Bevollmächtigten sowie unter den verschiedenen Betreuungskräften an. Bei allen Besonderheiten unserer Angehörigen werden wir unmittelbar von den Präsenzkräften informiert, um entsprechende Weisungen geben zu können. Mithilfe einer umfassenden fachgerechten Dokumentation werden alle Veränderungen erfasst und an die am Betreuungsprozess beteiligten Mitarbeiterinnen weitergegeben.
Um die sich verändernden Bedarfe an Betreuung und Pflege adäquat und zeitnah zu erfassen, sind kontinuierliche Verhaltensbeobachtungen unserer Angehörigen und die Erfassung ihres Selbsthilfestatus durch die Betreuungsmitarbeiterinnen unerlässlich. In einem individuellen Betreuungsplan der allen Beteiligten zugänglich ist, werden Ressourcen, nötige Maßnahmen und Fördermöglichkeiten erfasst. Darüber hinaus finden regelmäßige Pflegevisiten seitens des Pflegedienstes statt, damit neue Pflegepläne erstellt und neue Pflegevereinbarungen mit uns als Bevollmächtigten getroffen werden können.
Es ist uns ein großes Anliegen, die Wohngemeinschaft ständig weiter zu entwickeln und die dortigen Lebensbedingungen an die sich verändernden Bedürfnisse unserer Angehörigen anzupassen. Im Rahmen der GbR geschieht dies in regelmäßigen GbR-Sitzungen im Sechs-Wochen-Turnus, in denen die Situation unserer Angehörigen und Verbesserungsvorschläge ausführlich diskutiert werden. Auch die Mitarbeiterinnen vor Ort sind ständig bemüht, kreative Problemlösungen und Fördermöglichkeiten zu finden.
Wichtig ist uns ein Klima, in dem ein lebendiger, authentischer Austausch zwischen allen am Betreuungsprozess Beteiligten zum Wohle unserer Angehörigen stattfinden kann.